Hirtenbrief zum Martinsfest: Gebet und Nächstenliebe in Zeit von Pandemie und Terror

Eisenstädter Diözesanbischof Zsifkovics äußert sich aus Anlass des Festes des Landespatrons St. Martin (11. November) in Hirtenwort zur aktuellen Situation der vom Lockdown betroffenen Pfarrgemeinden, aber auch zum Anschlag in Wien

Eisenstadt – Der Eisenstädter Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics hat sich aus Anlass des Festes des Landespatrons St. Martin (11. November) in einem Hirtenwort zur aktuellen Situation der vom Lockdown betroffenen Pfarrgemeinden, aber auch zum Anschlag in Wien am 2. November geäußert. Er erinnert auch an die Corona-bedingte Absage des großen Diözesanjubiläums-Festes im Juni und gibt Hoffnung, dass das Fest 2021 als Doppeljubiläum – 60 Jahre Diözese Eisenstadt, 100 Jahre Burgenland – nachgeholt werden kann. Es zeige sich so, dass die Pandemie „etwas längst Vergessenes in unsere Gesellschaft getragen“ habe, nämlich die Erfahrung, „dass unser Lebensweg nicht vollständig vorausplanbar ist, dass so viele unserer gewohnten Sicherheiten trügerisch sind und dass unser menschliches Wohl äußerst zerbrechlich ist“. Zuletzt hätten „die schrecklichen Terroranschläge des 2. November in Wien diese Erfahrung in bittersten Schmerz verwandelt“, so der Bischof. Er bete in diesen Tagen für die Opfer und ihre Familien.

Bischof Zsifkovics verweist in dem Hirtenwort auf den heiligen Martin, dessen Leben auch anders als geplant verlaufen sei. „Geplant hatte Martin von Tours eine Karriere als Soldat – doch die äußeren Umbrüche der damaligen Gesellschaft und der innere Umbruch in seiner Seele machten aus ihm einen Heiligen. Geplant hatte er, sich als Mönch zurückzuziehen – doch die Menschen verlangten in ihrer Not nach seiner Begleitung und Führung als Bischof. Martinus wuchs als Christ durch die Überraschungen in seinem Leben“, schreibt Zsifkovics.

Er bekennt seinen Glauben daran, dass „der Umbruch, den wir in dieser Zeit der Pandemie erleben, uns ein vertieftes Nachdenken über unser Leben schenkt“. Die Kirche im Burgenland habe zwar geplant, „ein Fest des Dankes für die Errichtung unserer Diözese“ zu feiern, doch „das Virus hat uns in unserer technologisch so hochentwickelten und vor Überfluss strotzenden kleinen Welt vor Augen geführt, dass nicht einmal das nackte Leben, die Gesundheit, zwischenmenschliche Kontakte und das tägliche Brot eine Selbstverständlichkeit sind“. Die Gesellschaft habe geplant, „immer reicher, schöner, fitter und älter zu werden“, doch in einer Zeit plötzlicher Not und auch des Terrors hätten viele gelernt, „neu zu beten, neu über das Leben als Geschenk Gottes nachzudenken, wieder dankbar zu sein für alles Gute und Schöne, da nichts von alledem selbstverständlich ist“.

Spiritualität, Synodalität und Solidarität

Im Hirtenbrief appelliert Zsifkovics an die Gläubigen im Burgenland, sich im Sinne des Hl. Martin in der aktuellen schwierigen Zeit um drei „S“ zu bemühen: Spiritualität, Synodalität und Solidarität, und dabei einfach – „small“ – zu bleiben. „Ohne echtes Gebet – ohne Spiritualität – gibt es kein Christsein“, so der Bischof zum ersten „S“: „Bemühen wir uns um jenes Gebet, mit dem wir uns für Gott öffnen und wo auch der Bruder, die Schwester und sogar der Feind wichtig wird. Dies gelingt, indem wir einfach werden, indem wir unser Ego klein, also ‚small‘ machen. Wie viele von uns können sagen, dass sie es zu dieser echten Meisterschaft im Beten gebracht haben? Doch vergessen wir nicht: Ohne dieses echte Gebet, ohne Spiritualität gibt es kein Christsein!“

Das Beten sollte jeden Tag erfolgen, und der Sonntag solltemit der Eucharistiefeier begangen werden: „Feiern wir wieder den Sonntag als den Tag des Herrn, indem wir ihm beim gemeinsamen Gottesdienst in Wort und Sakrament begegnen!“, so der Bischof.

Zur „Synodalität“ schreibt Zsifkovics, es gehe darum, die Kirche als Weggemeinschaft zu sehen, „in der sich die Einheit mit Gott und die Einigkeit unter den Menschen verwirklicht“. Auf diesem gemeinsamen Weg sei jeder Getaufte berufen, um mit seinen Charismen an der Sendung der Kirche mitzuwirken, also Christus zu den Menschen zu bringen. Dabei brauche es „von allen – Bischof, Klerus und Volk Gottes – die Bereitschaft zur Einheit und Zusammenarbeit, zum Zuhören und Lernen, vor allem bei notwendigen Veränderungen und Erneuerungen“.

Als Bischof habe er diesbezüglich die Bitte, dass von den Getauften konkrete Aufgaben in der Pfarrgemeinde übernommen würden; „Bringen Sie im Miteinander mit anderen Ihr Talent in die konkrete kirchliche Gemeinschaft ein – das ist gelebte Synodalität!“

Im Lockdown Hoffnungslichter anzünden

Schließlich formuliert Zsifkovics einige Anliegen zur Solidarität, also Nächstenliebe nach dem Vorbild des hl. Martin, in Zeiten der Pandemie: „Zeigt uns diese Corona-Pandemie nicht viele neue Arten der Armut heute, die wir als Kirche und als Christen erkennen sollten? Als Kirche müssen wir uns heute vor allem der Pandemieverlierer annehmen.“ Für die Bewältigung des zweiten Lockdowns gelte, dass er von Christen bewältigt werden könne, „indem wir durch konkrete Martinstaten gerade jetzt Hoffnungslichter füreinander anzünden“.

Weil er „Hirte einer Martinsdiözese“ sei – Zsifkovics – habe er ganz bewusst einen ‚Lehrlingsfonds‘ eingerichtet, der auf von den Spenden der Priester, Diakone, Ordensleute und hauptamtlichen Mitarbeiter der Diözese ermöglicht worden sei. „Für diese konkrete Martinstat sage ich allen auf diesem Wege ein herzliches Vergelt´s Gott! Und meine dritte Bitte: Setzen wir in unserer Umgebung eine konkrete Martinstat, schämen wir uns dessen nicht, damit Nächstenliebe und Solidarität in unserem Land auch heute weiterleben – wir sind als Martinsdiözese mehr als andere dazu verpflichtet! Werden wir dabei auch nicht müde, Menschen auf der Flucht weiterhin beizustehen!“

Der Bischof erinnert in diesem Zusammenhang, dass der Terror der Extremisten erst dann siege, „wenn wir uns polarisieren lassen, wenn geschürte Vorurteile und Angst über Mitleid und Menschlichkeit siegen“. Nicht wegschauen dürfe man allerdings, „wenn sich Parallelgesellschaften bilden, die unsere humanistischen Werte nicht respektieren wollen“.