Kontakt

kanzlei@seelsorgeamsee.at

+43 2167 72 00

26. Dezember - Stephanitag

Warum denkt die Kirche am zweiten Weihnachtstag an Stephanus, den ersten Märtyrer? Wir stehen doch noch mit dem Herzen und den Gedanken an der Krippe und freuen uns, dass Gott in einem Kind Mensch geworden ist. Weil das Kind nicht Kind geblieben ist. Stephanus wusste nichts vom Kind in der Krippe, aber er wusste sehr viel von Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Erst der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi, dessen Leben in Betlehem begann, lässt uns Weihnachten feiern, voller Freude und Hoffnung.

Am 26. Dezember gedenkt die Kirche des heiligen Stephanus. Er ist eine der herausragenden Figuren der Apostelgeschichte, jenem Buch des Neuen Testaments, das vom grenzüberschreitenden Wirken Gottes und von der Ausbreitung des Evangeliums erzählt.

Die Erzählung über Stephanus umfasst nur zwei Kapitel der Apostelgeschichte und steht am Ende des Jerusalem-Abschnitts, der das Leben der Urgemeinde unter das harmonisierende Motto stellt: „Sie waren ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas sein Eigentum, denn sie hatten alles gemeinsam.“ (Apg 4,32) Dabei hatte die Urgemeinde schon in den ersten Jahren Differenzen und Zerreißproben zu bestehen – zur Lösung einer dieser Konflikte wurde Stephanus zusammen mit sechs anderen Männern ausgewählt. Er sollte sich um die Armenversorgung kümmern, denn in der täglichen Nahrungsmittelverteilung in Jerusalem wurden die Witwen aus den griechischsprechenden christlichen Gemeinden benachteiligt. Offensichtlich gab es einen Streit zwischen den griechisch und den aramäisch sprechenden Christen.

 

Längste Rede der Apostelgeschichte

Doch viel wichtiger als dieser Dienst an den Armen war es für den Verfasser der Apostelgeschichte, Stephanus als einen streitbaren und charismatisch begabten Mann zu beschreiben. Er war „voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volk“, heißt es im sechsten Kapitel, bevor sogleich der Konflikt mit einigen Vertretern der jüdischen Synagogen erzählt wird, der zur Steinigung des Stephanus am Ende des siebten Kapitels führt.

 

Dazwischen steht eine umfangreiche Rede des Stephanus vor dem Hohen Rat. Es ist die – nicht zufällig – längste Rede der Apostelgeschichte, in der Stephanus mit engelsgleich verklärtem Gesicht die Bedeutung des Jerusalemer Tempels relativiert. Das einst vom großen König Salomo gebaute Heiligtum ist zwar schön, doch Gott wohnt nicht an einem von Menschen gemachten Ort, ist Stephanus überzeugt. Ähnlich wie Jesus nimmt Stephanus kritisch Stellung gegenüber einer Institution, die den Menschen in übertriebener Weise heilig geworden ist, gegenüber einem Kult der längst sein Ziel verfehlt hat. Die Hüter des Tempels hören das nicht gerne.

 

Die ganze Welt ist Gottes Tempel

Leider ist die Rede des Stephanus in der liturgischen Leseordnung für den Stephanitag nicht vorgesehen. Zugegeben, sie wäre sehr lang. Aber sie würde sich lohnen sie gelesen zu werden, denn sie fasst die gesamte Geschichte Israel auf circa 50 Verse zusammen und deutet sie gleichzeitig. Ganz im Sinne Jesu lautet die Deutung der Geschichte: Gott lässt sich nicht auf einen Kult oder einen Ort reduzieren, die ganze Welt ist sein Tempel.

 

Stephanus ist als erster Märtyrer in die Geschichte eingegangen. Die Stephanitag-Lesung aus der Apostelgeschichte erzählt zunächst von der Verhaftung des Stephanus und danach von der  empörten Reaktion der Zuhörer auf seine feurige Rede. Es folgt die Szene der Steinigung. Diese Zeilen sind nicht weniger interessant als die charismatischen Worte des Stephanus. Sie zeigen durch mehrere kleine Details, dass den ersten Märtyrer das gleiche Schicksal wie Jesus trifft: Wie Jesus muss sich Stephanus vor dem Hohen Rat verteidigen, wie Jesus wird er zur Tötung vor die Tore Jerusalems geschleppt. Aber noch viel auffälliger ist, dass der Märtyrer in seiner Todesstunde ausruft „Herr, nimm meinen Geist auf!“ und dass er – wiederum parallel zu Jesus – um die Vergebung der Mörder bittet: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“

 

Am Ende der grausamen Szene wird mit dem letzten Satz schon die nächste große Gestalt der Apostelgeschichte eingeführt: Paulus. Er sieht zu, wie Stephanus gelyncht wird und ist damit einverstanden. Ein paar Kapitel weiter wird er zum kämpferischen Verteidiger der Botschaft Jesu und – wie Stephanus und Jesus – zum Märtyrer, der vor dem Hohen Rat eine Verteidigungsrede halten muss.

 

Apostelgeschichte: Nicht nur Geschichte großer Männer

Die Apostelgeschichte ist – wie der deutsche Titel andeutet – eine Geschichte großer Männer. Aber sie ist noch viel mehr. Die großen Gestalten, zu nennen wären noch Petrus und Philippus, strukturieren das umfangreiche Buch, doch sie sind nicht selbst das Zentrum. Mittelpunkt der Handlung ist das Evangelium selbst, die Frohe Botschaft selbst, von der Jesus gesprochen hat. Die ganze Dramatik der Apostelgeschichte will die Frohe Botschaft vom unaufhaltbaren und grenzüberschreitenden Wirken Gottes unterstreichen. So endet das 28 Kapitel lange Buch mit der – wohl etwas idealisierten – Bemerkung über Paulus, der in seiner Gefangenschaft in Rom „ungehindert und mit allem Freimut“ das Reich Gottes und Jesus Christus verkündet.