
Der Jammer mit der Jugend
Viele Menschen, denen die religiöse Erziehung der Kinder wichtig war und ist, sind unglücklich, weil sie den Eindruck haben, dass sie in diesem Bereich versagt haben: ihre Kinder sind nicht mehr in der Kirche zu sehen. Ja, das stimmt, wir haben versagt. Aber anders.
Ich bin überzeugt, dass eure Kinder gute Menschen sind, auch wenn sie in die Kirche kaum noch gehen. Und sie haben ihren Glauben. Wir sollten unsere Religiosität nicht an dem Kirchgang messen. Wir gehen nicht in die Kirche, weil es Gott bräuchte. Den Gott, der unser Kirchengehen bräuchte, den gibt es nicht. Wir gehen in die Kirche, weil wir es selbst brauchen, weil es für uns wichtig ist, weil wir dort Kraft schöpfen, unser Selbstbewusstsein stärken, Trost erfahren, Gemeinschaft erleben.
Diese Berührung zu erleben ist wichtig für uns, nicht für Gott. Unsere Jugendlichen brauchen das auch, aber sie erleben diese Eigenschaften woanders. Davon bin ich überzeugt. Auch sie brauchen Trost, Gemeinschaft, innere Stärkung, ein gesundes Selbstbewusstsein. Aber da liegt auch unser Versagen: die Kirche, die Gesellschaft, die wir ihnen überlassen, die wir ihnen für ihre Zukunft vorbereitet haben, sind nicht das, was die Jugendlichen haben wollen. Schauen wir uns unsere Welt an. Ist sie in Ordnung? Leider nicht. Schauen wir uns unsere Kirchen als Organisationen an. Sind sie in Ordnung, sind sie zukunftsfähig? Ich denke, kaum. Unsere Kirche beschäftigt sich mit sich selbst mehr als mit den Menschen, sie sucht sich selber mehr als die Menschen. So eine Welt oder so eine Kirche möchte die Jugend nicht haben. Sie fühlen sich betrogen und enttäuscht. Denn das, was wir ihnen übergeben, ist keine heile Welt. Die Jugend erbt Scherben. Ihre Abwesenheit in den Kirchen ist ihre Art des Protestes. Hut ab vor Jugendlichen, die sich trotz des schlechten Zustandes der Gesellschaft und der Kirchen, in ihnen nach wie vor engagieren.
Prof. Zulehner sagt: „Der Akzent des pastoralen Handelns müssen wir vom kirchenzentrierten Gottesimport zu einer Pastoral des Gottaufspüren verlegen.“ Wir müssen Gott auch an anderen Orten suchen. Er kann uns in seiner Gegenwart manchmal an Orten und Ereignissen in unserem Leben überraschen, wo wir damit gar nicht rechnen. Gott ist für Überraschungen immer gut.
Gesegneten April wünscht
Pfarrer