Die Macht der Kerzen
Seit mein Opa vor bereits mehr als 2 Jahren verstorben ist, höre ich mir gern das Lied von den STS „Großvater“ an. Vorher, als der Opa noch lebte, gefiel mir dieses Lied auch, aber jetzt, nach seinem Tod, spricht mich dieses Lied richtig an. Er ist der Jenige, von dem dort gesungen wird, er war mein erster Freund.
In der 3. Strophe des Liedes steht: „Dein Grundsatz war: Z’erst überleg’n, a Meinung hab’n, dahinter steh’n. Niemals Gewalt, alles bered’n, aber a ka Angst vor irgendwem.“ Vielleicht spricht es mich deswegen an, weil ich ein großer Angsthase bin, aber vielleicht spielt auch meine Vergangenheit der Kindheit und Jugend während des Kommunismus eine Rolle. Damals haben wir uns gar nicht getraut, daran zu glauben, dass es einmal alles vorbei sein wird. Irgendwo in der tiefsten Ecke des Herzen haben vielleicht gehofft, gebetet und plötzlich, ohne Blut zu vergießen, war das alles Vergangenheit. In diesem Zusammenhang hat mich eine Geschichte aus meinem Wandkalender angesprochen, die ich mit euch teilen möchte:
Während sich vor der „Wende“ 1989 die Ideologen bis an die Zähne bewaffnete und mit Panzern, Maschinengewehren, Geschützen, Soldaten, Polizisten, Kampftruppen und Stasibeamten ihr System durchzusetzen versuchten, begannen die Christen ihren Widerstand so klein, dass ihn niemand recht bemerkte: Sie zündeten Kerzen an und stellten sie auf die Altäre. Auf einmal begannen die winzigen, unscheinbaren Kerzen sich zu bewegen: Sie wanderten vom Altar in den Chorraum, dann auf die Bänke, in die Gänge, vor das Kirchenportal, auf die Straßen und Plätze, vor die Ministerien. Während in den Seitenstraßen die Bereitschaftswagen der Kampftruppen Macht demonstrierten, wanderten die Kerzen in die Zentren der Städte – ohne Worte, ohne Gewalt. Auf einmal merkte die Welt, dass es Kräfte gibt, die Stärker sind als Waffen: Glaube, Gebet, Zivilcourage, Heiliger Geist.(aus: Paul Jakobi, Damit unser Glaube wachsen kann, Matthias-Grünewald-Verlag, 1999, S. 48f)
„Niemals Gewalt!“, singen die STS. Wie aktuell diese Botschaft noch immer ist. Manchmal denken wir, dass es anders als mit Gewalt gar nicht gehen könnte. Fanatiker werden dazu erzogen, wir freuen uns, wenn wir es ständig im Fernsehen und in den Spielkonsolen sehen. Wenn wir in den Nachrichten etwas Gewaltiges entdeckt haben, da werden die Nachrichten erst interessant. Ein Anderer sagte: „Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.“ Und er musste für diese Botschaft, für diese Überzeugung auf eine sehr gewalt- und qualvolle Weise sterben. „Meinung haben, dahinter stehen und keine Angst haben vor irgendwem“, würden die STS sagen.
Die Macht der Gewaltlosen, die Macht der Kerzen, die Macht des Gebets.
Pfarrer