Göttliche Entgöttlichung
Ich weiß nicht, ob es euch so geht, aber wenn wir am Sonntag in der Kirche das Glaubensbekenntnis sprechen, habe ich den Eindruck, dass wir das zwar ganz brav aufsagen, aber es geschieht irgendwie automatisch, ohne Glaubensbegeisterung oder -überzeugung. Es ist vielleicht auch deswegen, weil diese Glaubenssätze ziemlich genau 1700 Jahre alt sind. So etwas Altes kann auch veraltet klingen. Beim Konzil in Nizäa wurde das Glaubensbekenntnis ungefähr in derselben Form, wie wir es heute kennen, festgelegt. Der Impuls zum Konzil war indirekt der Streit um Jesus: Ob der Mensch Jesus auch Gott war oder nur ein Mensch. Beides war wichtig und aus diesen zwei Gegensätzen heraus haben sie beschlossen, dass Jesus Christus gleichzeitig Gott und Mensch war, dass die zwei Naturen in ihm, die göttliche und die menschliche, ungetrennt und unvermischt zu betrachten sind.
Diese uralte Glaubenswahrheit können wir in verschiedenen Zeiten aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Gerade zu Weihnachten, wenn es um den Menschen Jesus geht, ist es eine Einladung, Jesus zu entmythologisieren. In Jesus ist Gott Mensch geworden. In ihm verzichtet Gott auf alle göttlichen Privilegien und wurde Mensch, so wie du oder ich. Kein Zauberer, kein Hokus-Pokus-Mensch, sondern jemand, der dieselben Fähigkeiten hatte, wie die meisten von uns haben. Aber auch ein Mensch mit ausgeprägtem Gottvertrauen, mit einem Sinn für Gerechtigkeit und Gemeinschaft, da er alle Menschen als Schwestern und Brüder betrachtete und auch Menschen liebte, die sich sonst niemand zu lieben getraut hat. Ein Mensch, der nicht moralisierte, sondern aufrichtete, ein Mensch mit einer großen Sehnsucht nach Frieden und einer Leidenschaft für die Leidenden.
Das kleine Kind in der Krippe machte in die Windeln, oder in das, was die Babys damals trugen, schrie und brachte manchmal seine Eltern in die Überforderung. Auch er als Mensch wollte lieben und geliebt werden. Er sehnte sich nach einer Vision von einer neuen Welt, wo die Menschen ineinander Gottes Spuren entdecken und Gott vertrauen. Er nannte seine Vision „Reich Gottes“. Er war davon überzeugt, dass diese Vision möglich ist und ließ sich seine Vision nicht wegnehmen, auch wenn es ihm selbst das Leben gekostet hat, ist er seiner Überzeugung treu geblieben. Er wusste nicht, dass er bald das Grab verlässt, er lebte ganz normal im damaligen jüdischen Glauben, wie seine Glaubensfreunde, und bewies damit, dass die Liebe Gottes stärker ist als das bewachte Grab und der Tod.
Er lädt uns zum Vertrauen ein, dass auch wir uns auf Gott in allem verlassen können, dass wir für ihn wichtig sind, dass Gott uns zwar nicht unbedingt braucht, aber mit uns rechnet, weil er auch uns lieben möchte.
Gesegnete Adventzeit, tiefes Erleben der Weihnachtsfreude wünscht
Pfarrer